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Die stille Ehre, ein Sifu zu sein
Ein persönlicher Gedanke über Verantwortung, Demut und den wahren Kern der Kampfkunst

Mehr als ein Lehrer – ein Begleiter auf dem Weg
Der Begriff Sifu wird oft als „Lehrmeister“ übersetzt, doch in seiner tieferen Bedeutung meint er so etwas wie einen „Wegbereiter“ – jemanden, der nicht nur unterrichtet, sondern führt, begleitet und inspiriert. Ich habe nie darum gebeten, Sifu genannt zu werden. Es war ein Name, der mir von meinen Schülern und Lehrern gegeben wurde – und genau das macht ihn so bedeutungsvoll.
Denn mit diesem Titel kommt keine Macht. Er bringt Verantwortung. Und er verlangt Demut.
Ein Sifu ist jemand, der sein eigenes Ego zurückstellt, um Raum für das Wachstum anderer zu schaffen. Ich bin kein Held, kein Guru, kein allwissender Meister. Ich bin jemand, der den Weg der Kampfkunst etwas länger geht – und dadurch vielleicht ein paar Stolpersteine kennt, vor denen ich andere warnen kann. Ich versuche, ein Licht anzuzünden, ohne dabei selbst im Mittelpunkt stehen zu wollen.
Verantwortung, die nicht sichtbar, aber spürbar ist
Jede*r, der sich mir anvertraut, bringt nicht nur den Wunsch zu lernen mit, sondern auch eigene Hoffnungen, Ängste und Fragen. Als Sifu ist es meine Aufgabe, diesen Raum zu halten – mit Respekt, mit Geduld und mit offenen Augen.
Es geht nicht darum, zu führen, weil ich es kann – sondern weil ich es darf.
Diese Erlaubnis, die mir meine Schüler jeden Tag aufs Neue geben, erfüllt mich mit Dankbarkeit.
Ich trage nicht nur Verantwortung für das, was ich lehre, sondern auch für das, was ich vorlebe. Meine Worte, meine Haltung, mein Umgang mit Konflikten – all das prägt die Kultur meiner Schule. Und genau deshalb muss ich mich immer wieder selbst prüfen: Handle ich aus Überzeugung oder aus Stolz? Führe ich, um zu helfen – oder um Recht zu behalten?
Ein Sifu zu sein heißt für mich, nie aufzuhören, an mir selbst zu arbeiten. Ich darf von meinen Schülern nichts verlangen, was ich selbst nicht bereit bin zu leben.
Die wahre Kraft liegt in der Haltung
Unsere Kampfkunst lehrt kraftvolle Techniken, ja. Doch ihre eigentliche Kraft liegt woanders: In der Stille, in der Beherrschung, in der Achtung vor dem anderen. Diese Werte müssen gepflegt werden – nicht mit Worten, sondern im Tun.
In einer Welt, in der oft Lautstärke mit Stärke verwechselt wird, sehe ich es als meine Aufgabe, einen anderen Weg vorzuleben. Ich möchte nicht durch Strenge beeindrucken, sondern durch Beständigkeit. Nicht durch Perfektion, sondern durch Aufrichtigkeit.
Gerade in schwierigen Momenten zeigt sich, ob ich dieser Aufgabe gewachsen bin. Wenn ein Schüler zweifelt. Wenn ein Konflikt im Raum steht. Wenn es leichter wäre, wegzusehen oder zu urteilen. Dann erinnere ich mich daran, dass meine wichtigste Aufgabe nicht das Lehren ist – sondern das Da-Sein.
Ein Ehrenplatz, den man sich täglich neu verdient
Ich habe viele Jahre trainiert, bin durch Höhen und Tiefen gegangen, habe vieles gewonnen – und auch manches verloren. Doch das Wertvollste, was mir dieser Weg gegeben hat, ist nicht ein Gürtel, kein Zertifikat, kein Titel. Es ist die Verbindung zu den Menschen, die mir vertrauen.
Und das Wissen, dass ich diesen Weg nicht für mich gehe. Sondern für etwas Größeres.
Die Verantwortung, ein Sifu zu sein, darf nie zur Selbstverständlichkeit werden. Ich sehe sie als ein Geschenk – eines, das man nur behalten kann, wenn man es achtsam trägt. Nicht mit Stolz, sondern mit Demut. Nicht mit Anspruch, sondern mit Hingabe.
Es ist meine Aufgabe, den Weg offen zu halten – für die, die ihn gehen wollen. Und ich bin dankbar, dass ich ihn gehen darf – mit ihnen, nicht vor ihnen. Schritt für Schritt.







